RatioBlog
30.
Dezember
2010

Biathleten vertrauen auf neue Arten von Hokuspokus

Geschrieben von Michael Hohner am 30. Dezember 2010, 12:28:08 Uhr:

Sportler sind besonders anfällig für Hokuspokus aller Art. Manchmal läuft es eben nicht ganz so gut. Man verletzt sich in der Vorbereitung oder im Wettkampf, man wird zu unpassender Zeit krank, man hat einfach mal Pech, die Unparteiischen scheinen sich gegen einen verschworen zu haben, und manchmal sind die anderen einfach besser. Es gibt im Sport so viele Faktoren, die nur begrenzt vom Sportler selbst zu beeinflussen oder zu kontrollieren sind. Allerlei magisches Klimbim und Aberglauben (und vermeintliche Gegenmaßnahmen) lässt den Sportler glauben, die Kontrolle über diese Faktoren zurückzugewinnen.

Biathlon Online berichtet, an welchen Klimbim unsere Sportstars so glauben.

Power Balance

Die Armbänder von Power Balance sind eigentlich recht simpel: Silikonarmbänder, mit kleinem Hologramm darauf.

So weit, so richtig. Nur dass diese simplen Pfennig- (sorry, Cent-) Artikel für bis zu 40€ verkauft werden. Das ist doch mal locker eine Gewinnspanne von 4000%.

Dieses soll den Energielauf im Körper steuern und optimieren. Das Konzept, so der Hersteller, sei an fernöstliche Philosophien angelehnt.

Als ob der Körper eine Steuerung und Optimierung von außen nötig hätte. Überhaupt ist „Energie” hier nicht im Sinne des Stoffwechsels gemeint, sondern im esoterischen Schwurbelsinn, also einer Art Lebensenergie, die irgendwie unabhängig vom Körper arbeitet. Dummerweise existiert eine solche Energie nicht. Wenn das durch einen physiologischen Mechanismus funktionieren würde, dann müssten diese Gummibänder eigentlich auf der Dopingliste stehen.

Aber mal sehen, was der Hersteller zu seinen Artikeln zu sagen hat:

In our advertising we stated that Power Balance wristbands improved your strength, balance and flexibility.

We admit that there is no credible scientific evidence that supports our claims and therefore we engaged in misleading conduct in breach of s52 of the Trade Practices Act 1974.

If you feel you have been misled by our promotions, we wish to unreservedly apologise and offer a full refund.

To obtain a refund […]

Oooops! (Hervorhebung von mir)

Phiten

Phiten machte sich in Deutschland mit Hals- und Armbänder einen Namen, mittlerweile gibt es das Produkt in etlichen Ausführungen: Über Pflaster und Gels bis hin zu Anziehsachen und Matratzen reicht der Bestand. Geheimnis sämtlicher Produkte: Die Einarbeitung von Titan. Dies soll laut Unternehmensdarstellung das bioelektrische Feld des Körpers so beeinflussen, dass Muskelverspannungen oder Kopfschmerzen verhindert werden können.

Ah, ja. Wieder mal soll ein simpler Gegenstand dieses mysteriöse, nicht messbare (um nicht zu sagen, nicht existente), aber dennoch beeinflussbare Energiefeld des Körpers zum Wohl des Sportlers geraderichten können. Wie Titan das fertigbringen soll, bleibt offen. Die Webseite von Phiten lässt sich zu keinen konkreten Aussagen zur Wirksamkeit hinreißen (nur nicht ins Fadenkreuz der Gesetzgebung geraten…).

Es wird noch eine Studie im Katalog zitiert, unter der Überschrift „Studie vorhanden”. Zu einem „belegt Wirksamkeit” hat's wohl nicht gereicht. Der Inhalt: Der schmerzlindernde Effekt von Titanlösungen in Klebeband wurde bei Mäusen nachgewiesen. Naja, genaugenommen hat man das Gehirn von Mäusen seziert, Teile des Hippocampus an einem Ende elektrisch angeregt, die Reaktion am anderen Ende gemessen, und dabei verschiedene Varianten des Klebebandes mehr oder weniger danebengelegt (der Versuchsaufbau ist ziemlich unklar beschrieben). Im ersten Durchgang, der die Pulsweiterleitung ermittelte, war die Art des Klebebandes ohne Einfluss (Spin: das Titan wirkt nicht toxisch). Im zweiten Versuch wurde ein stärkerer Impuls angelegt und gemessen, wie schnell die Aktivität am anderen Ende wieder abklingt. Ergebnis: Mit Klebeband mit Titan klang die Aktivität schneller ab. Mit einer größeren Anzahl von Konjunktiven wird damit auf eine möglich Linderung von längeranhaltenden Schmerzen geschlossen. Die Studiengröße war übrigens 12.

Was das in Bezug auf die sportliche Leistung, Muskelverspannung und Kopfschmerzen beim lebenden Mensch aussagt? Im Grunde nichts, außer die Sportler kleben sich die Pflaster auch auf ihren Hippocampus. Sponsor der Studie: Phiten. Na sowas!

Und wer hat's nach Deutschland gebracht?

[…] wurde das Ganze durch Dr. Müller-Wohlfahrt entdeckt, zwei Jahre später eröffnete durch den bekannten Sportarzt der erste Phiten-Shop in München.

Das passt ins Bild. Müller-Wohlfahrt hatte schon immer ein Händchen dafür, dubiose Mittelchen und Verfahren auf wundersame Weise in klingende Münze umzuwandeln.

Es gibt übrigens eine deutlich preisgünstigere Methode, sich mit Massagemitteln einzureiben, in die Titan eingearbeitet wurde: weiße Wandfarbe, ca. 15€ pro 10 Liter.

Su-Jok-Ringe

Schon letztes Jahr wurde die Nationalmannschaft mit sogenannten „Su-Jok-Ringen“ ausgestattet. Jeder Finger steht dabei stellvertretend für einen Körperteil, durch diese Fingermassage-Ringe soll damit ganz im Sinne der Akupunktur der jeweilige Körperteil entspannt werden.

Ach, die gute alte fernöstliche Placebomedizin! Die schafft doch tatsächlich Entspannung durch Massage. Wer hätte das gedacht!

Warum fühlt sich nun Biathlon Online überhaupt genötigt, so einen Artikel zu veröffentlichen?

Nun seid ihr dran: Sendet einfach eine Email mit Eurer Adresse an […] und ihr könnt ein Paket von Phiten gewinnen. Inklusive Lotion, Tapes, Hals- und Armbändern. Viel Erfolg!

Dann ist ja alles klar!