RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

26.
September
2013

Wie man eine Homöopathie-Studie veröffentlicht (2)

Geschrieben von Michael Hohner am 26. September 2013, 19:33:45 Uhr:

Ein klassisches Merkmal von Pseudowissenschaften ist ja, dass ihre Hypothesen so formuliert werden, dass sie kaum oder gar nicht zu widerlegen sind. Findet man ein Indiz, das der Hypothese widerspricht, werden Indiz und Hypothese so lange uminterpretiert, bis die Hypothese wieder bestätigt zu werden scheint. Ist eine Hypothese aber aus Prinzip nicht falsifizierbar, dann ist sie keine wissenschaftliche, sondern eher ein Glaubenssatz.

Reichlich Beispiele für derlei findet man in Studien zur Homöopathie, wie die allseits beliebten Wachstumsversuche mit Pflanzen.[1] Da hier kein Mensch das Versuchsobjekt ist, glauben die Homöopathen, dass dadurch Plazeboeffekte ausgeschlossen seien und sie die Wirksamkeit der Homöopathie endgültig beweisen können. Dass wegen der fehlenden, ausführlichen Erstanamnese, die von klassischen Homöopathen unbedingt gefordert wird, eigentlich keine Homöopathie getestet wird, scheint nicht zu stören.

Diese Studie ist der Versuch einer Reproduktion eines vorherigen Experiments. Darin wurde Weizen nicht-tödlich mit Arsen vergiftet. Dann wurden die verbliebenen Sprossen entweder mit homöopathisch verdünntem Arsen (also Wasser), mit homöopathisch verdünntem Wasser (also Wasser) oder „unpotenziertem” Wasser (also Wasser) weitergezogen. Nach 7 Tagen wurden die Sprossen vermessen. Im ursprünglichen Experiment wurde ein erhöhtes Wachstum bei der Versuchsgruppe festgestellt, die mit dem homöopathischen Arsen gewässert wurde. Dies schien die Wirkprinzipien der Homöopathie zu bestätigen.

Aber was war das Ergebnis der Reproduktion?

The result of this replication trial is a reversal of the original study, since Arsenicum album 45x inhibited wheat shoot growth instead of enhancing it.

Die ursprünglichen Ergebnisse haben sich also nicht bestätigt. Was auch immer die Wachstumsunterschiede bewirkt hat, es war nicht das Homöopathikum. Thema erledigt.

Aber weit gefehlt, schließlich schreiben hier ja alte Bekannte in einem Magazin für Alternativmedizin. Der Spin folgt also auf dem Fuß:

Nevertheless, high homeopathic potencies may induce statistically significant effects in biological systems. However, the magnitude and direction of these effects seem to depend on yet unknown parameters.

Homöopathie ist also wirksam, man weiß nur nicht wie stark und in welcher Richtung.

Hier ist also wieder die bewährte Strategie am Start:

  1. Hypothese aufstellen,
  2. Versuch durchführen,
  3. Ergebnisse dokumentieren,
  4. Ergebnisse ignorieren,
  5. Homöopathie als wirksam deklarieren.

  1. Binder M, Baumgartner S, Thurneysen A.: The effects of a 45x potency of arsenicum album on wheat seedling growth – a reproduction trial.; Forsch Komplementarmed Klass Naturheilkd. 2005 Oct;12(5):284-91. Epub 2005 Oct 13.