Juli
2009
Bekloppter der Woche: Jane Bürgermeister
Geschrieben von Michael Hohner am 24. Juli 2009, 21:11:07 Uhr:
Die Schweinegrippe H1N1 macht derzeit allen Sorgen. Auch die Presse pusht das Thema derart, dass davon durchgeknallte Verschwörungstheoretiker magisch angezogen werden wie die Fliegen von der Scheiße.
Vorläufiger Höhepunkt: Die österreichische Journalistin Jane Bürgermeister hat beim FBI Anzeige gestellt wegen Einsatz einer biologischen Waffe mit der Absicht Völkermord zu begehen.[1] Beschuldigte hierbei sind Barack Obama, die UNO, die WHO, das US-Gesundheitsministerium, die US-Heimatschutzbehörde, die FDA, Baxter Int., Novartis, Sanofi Aventis, GSK Plc, Novavax, Rothschild & Cie Banque, David Rockefeller, George W. Bush, Soros Fund Management und natürlich Bill Gates. Das hat sich gewaschen!
Der Vorwurf ist, eine Verschwörung um die Herstellung (!) und Verbreitung der Vogelgrippe H5N1 und der Schweinegrippe H1N1, mit dem Ziel, einen Vorwand für eine spätere Massen-Zwangsimpfung zu schaffen, mit der dann eine (ungenannte) andere Biowaffe der Bevölkerung injiziert werden soll, die Tod und Verderben über die Menschen bringt.
Alles klar?
Desweiteren werden die Beschuldigten des Diebstahls von 9 Billionen Dollar im Rahmen des Bankenrettungsprogramms bezichtigt, mit dem weiteren Vorhaben, durch erzwungene Impfung die beraubten Bürger zu ermorden, in Konzentrationslagern der FEMA zu internieren und in Massengräbern zu beseitigen.
Noch dabei? Es kommt noch besser:
Die Verschwörer planen weiterhin, die Macht über die USA unter dem Vorwand der Pandemie an die „Illuminati” zu übergeben.
Ah, ja, alles klar.
In der 112-seitigen (!) Beschuldigung sind dann folgende hochklassige Beweise zu finden:
I submit this evidence, coupled with the lack of the presence of this virus at the pig farm near the proposed CDC's "patient zero" (a 5 year old from La Gloria, 80km away from the pig farm in Perote, Mexico), shows that the origin of the flu outbreak remains unidentified at this time, and cannot be ascribed to Mexican or North American swine.
Der erste Fall von H1N1 wurde also 80 km von einer Schweinefarm entfernt gefunden, dort wurden aber keine Schweine mit H1N1 gefunden. Und deshalb ist das eine Biowaffe. Alles klar. Könnte natürlich auch daran liegen, dass die sogenannte „Schweinegrippe” mit Schweinen nicht viel zu tun hat.
Oder:
Dr. Henry Taubenberger, at US Army Institute of Molecular Pathology has used AIPAC funding to dig up the graves of deceased individuals who died of the H1N1 flu in 1918, and has reconstructed the genome using advanced laboratory techniques. The only purpose for such an action is for weaponization – the creation of new, more deadly flu viruses.
Natürlich, es gibt wirklich nur diesen einen Grund, warum jemand die Spanische Grippe von 1918 genauer untersucht. Forschung z. B. zum Zweck der Verhinderung eines zweiten solchen Ausbruchs ist völlig ausgeschlossen.
Die gesamte Anzeige ist eine krude zusammengeklopfte Ansammlung von non sequitur. Keiner der Belege ist zwingend schlüssig. Es wird eine Behauptung aufgestellt, und als Beleg wird auf eine Webseite, Youtube-Video o.ä. eines anderen Verschwörungstheoretikers oder Quacksalbers verwiesen, auf der auch wieder nur behauptet wird, dass…
Was Obama damit zu tun hat?
Since President Obama visited Mexico on April 16, the virulent flu has stricken more than 1,000 peeple, killing nearly 70 of them, including one person the President met at a museum. […] President Obama went into Mexico and left unscathed in spite of the growing “swine flu” emergency.
Mit anderen Worten, wer sich zufällig nicht ansteckt, ist Teil der Verschwörung.
Interessant auch, wie ein anderer Vorfall aufgebauscht und verdreht wird. In einem Zug in der Schweiz ist offenbar ein Paket mit H1N1-Proben geplatzt[2], nachdem auftauendes Trockeneis darin einen Überdruck erzeugt hat. Der enthaltene H1N1-Stamm ist aber ein anderer als das derzeitige Schweinegrippenvirus. Natürlich war das nach Darstellung von Bürgermeister kein Unfall, sondern volle Absicht. Es wurde eine „Bombe” im Zug platziert mit dem Ziel, eine Pandemie herbeizuführen, damit Baxter und die Mitverschwörer später mit einem passenden Impfstoff Milliarden scheffeln können. Oder die Weltherrschaft übernehmen. Oder so.
Für eine dermaßen weitreichende und ausgefeilte Verschwörung ist das Vorgehen aber sehr dilettantisch:
- Warum den Erreger mit Hilfe einer „Bombe” verbreiten? Das erregt nur Aufsehen, und die Verbreitung passiert auch nicht schneller als durch die natürlichen Wege. Mit einem Zerstäuber durch ein Fußballstadion zu laufen wäre wesentlich effizienter und gleichzeitig absolut unauffällig.
- Warum dann den falschen H1N1-Stamm verwenden?
- Warum wurden allgemein so schwache Varianten des Influenza-Virus verwendet? Das Vogelgrippevirus ist zwar gefährlich, aber wenig ansteckend, das Schweinegrippevirus ist zwar leichter übertragbar, aber weniger gefährlich. Abgesichts des Medienhypes wird schnell übersehen, dass an der saisonalen Influenza jährlich etwa 3 bis 5 Millionen Menschen schwer erkranken und etwa 250000 bis 500000 sterben.[3] Am aktuellen H1N1-Stamm erkrankten bisher „nur” 94512 Menschen, und 429 starben.[4] Die Natur ist offenbar ein besserer Bioterrorist als die Verschwörer. Eine natürlich vorkommende Variante des Virus wäre doch viel geeigneter, eine hohe Warnstufe durch die WHO auszurufen und dann die beschriebenen Maßnahmen für den „Staatsstreich” zu starten.
- Als Verursacher des geplatzten Pakets war sofort Baxter auszumachen, denn schließlich wurde das Paket von einem Techniker der Firma transportiert, welcher bei dem Vorfall auch verletzt wurde. Sollte eine derart hochkarätige Verschwörung nicht in der Lage sein, das Paket zu platzieren und zu verschwinden, ohne die offensichtlichsten Hinweise auf sich selbst zu hinterlassen?
Hier wäre doch eine kräftige Dosis von Hanlon's Razor angebracht: „Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.”
Die Liste der Ungereimtheiten ließe sich unendlich fortsetzen. Hochpeinlich auch die Nennung von verurteilten Quacksalbern und Betrügern wie Kevin Trudeau als Quelle.
Was wird nun aus dieser Anzeige werden? Sie wird beim FBI bestimmt erstmal die Runde als Bürowitz machen und dann im Rundarchiv abgelegt. Schade um die Arbeitsstunden, die mit einem solchen Blödsinn vergeudet werden.