RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

18.
Mai
2013

ZDFzoom, die Desinformation geht weiter

Geschrieben von Michael Hohner am 18. Mai 2013, 20:12:24 Uhr:

Schon im März ging das Aufregerthema „geplante Obsoleszenz” durch die Presse, also das angeblich geplante schnelle Kaputtgehen von Geräten aller Art kurz nach Ablauf der Gewährleistungszeit. Jetzt hat ZDFzoom zu diesem Thema nochmal nachgelegt. Und wie fast nicht anders zu erwarten, mit dem gleichen dürftigen Inhalt.

Ob Fernseher, Waschmaschinen, Telefone, Autos, angeblich geht alles immer schneller kaputt. Und weil das geplanterweise immer kurz nach der Gewährleistungszeit passiert, bleibt den Kunden nichts anderes übrig, als einen Ersatz neu zu kaufen. Aber ist das wirklich so? Nach dem Beispiel mit der kaputten Waschmaschine gibt ZDFzoom sich selbst die Antwort:

Statistiken zur durchschnittlichen Lebensdauer von Waschmaschinen gibt es nicht.
Wieder einmal tritt Stefan Schridde als Kronzeuge auf, Betreiber der Webseite „Murks? Nein danke!”, auf der Leute ihre Erfahrungen mit Produktmängeln diskutieren. Leider kann auch dieses Portal kein Nachweis für das Phänomen sein, denn derartige Erhebungen leiden unter einem massiven Selektionsfehler: Wer negative Erfahrungen macht, wird viel eher seiner Enttäuschung online Luft machen. Wer zufrieden ist, schreibt dies nicht ständig in Verbraucherportale. Umfragen mit Selbstselektion sind keine repräsentativen Statistiken.

Auch Schriddes Paradebeispiele sind nicht plausibel. Die elektrische Zahnbürste mit gekapseltem Innenleben dürfte wohl nicht deshalb so gebaut sein, damit sie nicht reparierbar ist. Die Kapselung ist wohl eher nötig, damit die Zahnbürste absolut wasserdicht ist, damit sie z. B. beim Fall ins gefüllte Waschbecken eben nicht sofort kaputtgeht, und damit sie auch sonst einfach unter fließendem Wasser gereinigt werden kann.

Schridde liefert auch das Zitat, das die Sendung im Ganzen charakterisiert. Auf die Frage, ob er denn Beweise dafür hat, dass die Hersteller den Defekt vorsätzlich einplanen, sagt er wörtlich:

Wir brauchen das nicht beweisen.

Nun ja, er tut es auch nicht. Auch im Gutachten für Bündnis 90/Grüne (die Sendung nennt das „Studie”), an dem er als einer der Autoren beteiligt ist, weist er im Grunde nichts nach. Darin werden ein paar schöne Geschichten mit viel Spekulation durchmischt, und wenn es dann spannend wird, gibt es keine konkreten Daten. Als Belege dienen Schridde auffällig oft Verweise auf seine eigene Webseite. Insbesondere zur Behauptung des Vorsatzes gibt das Gutachten sogar selbst zu, dass dieser nicht nachgewiesen ist.

ZDFzoom stellt sich selbst (und den Interviewpartnern) auch nie die wirklich kritischen Fragen: Ist so etwas wie „geplante Obsoleszenz” überhaupt plausibel? Wenn ein Gerät vom Hersteller X schnell kaputt geht oder oft teuer repariert werden muss, ist es dann wahrscheinlich, dass der Kunde den Ersatz beim gleichen Hersteller X kaufen wird? Wenn nicht, was hätte dann Hersteller X davon, das Gerät absichtlich schnell kaputt gehen zu lassen? Treibt das die Kunden nicht eher zur Konkurrenz? Und ist es technisch überhaupt machbar, ein Produkt so zu konstruieren, dass es möglichst bald kaputt geht, aber möglichst nicht vor dem Ablauf der Gewährleistung?

Wenn man mal voraussetzt, dass tatsächlich die Produkte schneller kaputtgehen als früher, gibt es dann nicht plausiblere Gründe dafür, z. B. der Preisdruck auf dem Markt in Kombination mit dem Unwillen der Kunden, für hohe Qualität und Langlebigkeit auch den entsprechend höheren Preis zu bezahlen?

Was bleibt, sind also ein paar dürre Anekdoten, die die Grundbehauptung der Sendung in keiner Weise stützen. Nicht nur wird nicht nachgewiesen, dass das Phänomen („Produkte gehen immer schneller kaputt”) überhaupt existiert, sondern auch für die Zusatzbehauptung, dass dies der Vorsatz der Hersteller ist, fehlt jeglicher Beleg. Das ist Bullshit-Journalismus in Reinkultur: Eine Behauptung wird einfach mal so in den Raum gestellt, ob sie wahr ist, das wird zur Nebensache. Man fragt sich, wofür genau diese Sendung eigentlich ihre Auszeichnungen bekommen hat. Für eine vorbildliche Einhaltung des Pressekodex wohl nicht.


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