Februar
2010
Petition für „Libel Reform” in England
Geschrieben von Michael Hohner am 12. Februar 2010, 21:18:03 Uhr:
Seit heute findet man rechts unten ein „Bapperl” für die Kampagne zur Reformierung der Gesetze für Verleumdungsklagen in England. Diese Gesetze werden immer häufiger verwendet, um kritische Journalisten, Autoren und Wissenschaftler durch Klagen vor englischen Gerichten mundtod zu machen.
Ein Leser eines deutschen Blogs mag sich hier die Frage stellen, warum ein englisches Gesetz außerhalb von England überhaupt von Interesse ist. Die Antworten darauf zeigen, wie ungewöhnlich und problematisch diese Gesetze auch für nicht-Engländer sind.
- Anders als sonst üblich muss bei einer Verleumdungsklage in England der Angeklagte seine Unschuld beweisen. Es gilt nicht die Unschuldsvermutung. Der Angeklagte wird als schuldig angesehen, bis er seine Unschuld ausreichend bewiesen hat.
- Es gibt kaum Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung. Bei einem Streit vor Gericht entstehen Verfahrenskosten von oft über 1 Million Pfund. Die Kosten eines solchen Verfahrens liegen etwa beim 140-fachen von vergleichbaren Verfahren im Rest von Europa!
- Eine Klage wird mit sehr weitgefassten Kriterien zugelassen. Früher reichte es aus, ein im Ausland veröffentlichtes Schriftstück nach England zu importieren, um es als in England veröffentlicht anzusehen und die Klage zuzulassen. Im Zeitalter des Internets gilt jede Seite, die von England aus abrufbar ist, als in England veröffentlicht. Der Standort des Servers ist nicht relevant. Damit kann praktisch jede Veröffentlichung im Web Gegenstand einer Klage in England werden. Ebenso wird jeder einzelne Seitenaufruf als potentielle neue Verleumdung gewertet.
- Das öffentliche Interesse spielt bei derartigen Verfahren kaum eine Rolle.
Dienten diese Gesetze ursprünglich der Verteidigung des Ansehens einer Person, werden sie heute de facto dazu verwendet, Kritiker mundtod zu machen und Geld durch Verleumdungsklagen zu verdienen. Es ist ein regelrechter Verleumdungsklagentourismus entstanden, London ist die Verleumdungsklagenhauptstadt der Welt. Für einen Kläger mit Geld ist es einfach, eine Klage anzustreben und die Verteidigung alleine dem Angeklagten aufzubürden. Der Angeklagte ist durch die hohen Kosten selbst einer erfolgreichen Verteidigung fast immer gezwungen, klein beizugeben und lieber die Kosten eines Vergleichs zu akzeptieren. 90% der Verfahren werden heute von den Klägern gewonnen.
Sogar die UN-Menschenrechtskommission hat diese Gesetzgebung schon angemahnt:
Practical application of the law of libel has served to discourage critical media reporting on matters of serious public interest, adversely affecting the ability of scholars and journalists to publish their work.
Aktuelles und prominentes Opfer dieser Gesetzgebung ist der Autor und Journalist Simon Singh. Es wurde 2008 von der britischen Chiropraktikervereinigung verklagt für die Aussage, dass diese nur scheinbar wirksame Verfahren propagiere.[1]
Durch eine Gesetzesreform soll das Gleichgewicht zwischen den Interessen von Einzelnen und dem Recht auf freie Meinungsäußerung wiederhergestellt werden. Die wichtigsten Forderungen der Kampagne sind:
- Umkehren der Beweislast. Der Kläger muss nachweisen, dass eine Behauptung falsch war, und dass ein Schaden entstanden ist.
- Ist der Kläger ein mittlerer bis großer Konzern, so muss dieser zusätzlich eine bösartige Absicht nachweisen.
- Limitieren des Streitwerts auf 10000 Pfund pro Veröffentlichung.
- Engere Kriterien für das Zulassen einer Klage. So müssen mindestens 10 Prozent der Schriftstücke einer Veröffentlichung in England im Umlauf sein, um die Klage zuzulassen. Desweiteren soll nicht jeder neue Aufruf einer Webseite als potentiell neue Verleumdung gewertet werden, sondern nur als die eine gleiche, und Veröffentlichungen auf ausländischen Servern sollen nur Beachtung finden, wenn sie in England durch oder für den Beklagten beworben wurden.
- Schaffung von Instanzen, die eine außergerichtliche Einigung vereinfachen.
- Verstärkte Beachtung des öffentlichen Interesses.
- Autoren im Web sollen nur noch für die eigenen Veröffentlichungen Verantwortung tragen müssen, nicht für Veröffentlichungen von Dritten (z.B. von Blog-Kommentaren).
Eine Vielzahl von Parlamentsmitgliedern hat bereits die Unterstützung der Kampagne zugesagt. Dennoch sind 100000 Unterzeichner der Petition nötig, um die Reformen im Parlament anzustoßen. Bitte klicken Sie unten auf das Logo und unterstützen Sie die Kampagne durch Unterzeichnen der Petition. Es kann auch Sie treffen!