RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

3.
September
2014

Fehlschluss #34: Der maskierte Mann

Geschrieben von Michael Hohner am 3. September 2014, 08:24:11 Uhr:

Der Fehlschluss des maskierten Manns kann wie folgt illustriert werden:

Der maskierte Mann hat eine Bank ausgeraubt. Frau Meier glaubt nicht, dass ihr Nachbar eine Bank ausrauben würde. Deshalb ist der maskierte Mann nicht ihr Nachbar.

Hier wird das Gesetz von Leibniz falsch angewandt. Dieses sagt etwas aus über die Identität von Objekten:

A hat die Eigenschaft X. B hat nicht die Eigenschaft X. Also ist A nicht identisch mit B.

Dies ist eine korrekte Schlussfolgerung: Zwei Dinge sind dann identisch, wenn sie in allen Eigenschaften identisch sind. Eine einzige unterschiedliche Eigenschaft verhindert die Identität.

Die Falschanwendung dieses Gesetzes ist, dass nicht die tatsächlichen Eigenschaften des Nachbarn und des maskierten Manns verglichen werden, sondern was Frau Meier für deren Eigenschaften hält. Das Wissen und der Glaube von Frau Meier sind eigentlich Eigenschaften von Frau Meier, nicht der Subjekte ihres Wissens. Der obige Schluss ist falsch, wenn der Nachbar tatsächlich der Bankräuber ist, und Frau Meier ihren Nachbar nicht so genau kennt wie sie denkt.

In einer präzisen Sprache wie der Mathematik ist das Leibnizsche Gesetz einfach anwendbar (und von dort stammt es auch her). Hier ist eindeutig feststellbar, welche Eigenschaften Objekte haben. Im Alltag, mit natürlichen Sprachen und mit konkreten statt abstrakten Objekten ist das nicht so einfach. Die Bedeutung von Begriffen hängt oft vom Kontext ab, und so wartet der Fehlschluss des maskierten Manns gleich um die Ecke.

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