RatioBlog
17.
Oktober
2010

DRadio Wissen stichelt nicht

Geschrieben von Michael Hohner am 17. Oktober 2010, 17:30:40 Uhr:

Schon wieder fällt mir DRadio Wissen negativ auf. Schon beim Senderstart war sich die Redaktion nicht ganz klar, was nun Wissenschaft ist und was nicht. Diesmal haben Sie den Beitrag „Sticheln unter Medizinern” produziert.

Die Sendungsbeschreibung im Web liest sich wie eine halbwegs interessante Ausleuchtung eines Aspekts des Themas Akupunktur. Wenn man die Sendung dann aber hört, bleibt ein Wundern nicht aus: Die erste Hälfte der Sendungsbeschreibung, nämlich Hanjo Lehmann und sein SZ-Artikel über George Soulié de Morant, der die Akupunktur nach Europa gebracht hat, kommt mit keinem Wort in der eigentlichen Sendung vor.

In kleinen Häppchen eingeschnitten in die Sendung ist das Selbstexperiment des Autors Markus Rimmel beim Akupunkteur in Hongkong. Diese Abschnitte enthalten aber kaum mehr an Informationen als ein „das war ein Stich … aua!”. Sie tragen inhaltlich kein bisschen zur Sendung bei und entpuppen sich so schnell als sinnloser Stunt.

Ebenso bekommt man den Eindruck, dass für die Autoren nicht der geringste Zweifel an der Wirksamkeit von Akupunktur besteht. Sie verlieren jedenfalls kein Wort über diesen Aspekt, obwohl das eigentlich in jeder Sendung über Akupunktur angebracht wäre. Stattdessen wird die Legende von der 2000-jährigen Tradition der Akupunktur weitergesponnen (die vor 2000 Jahren eher einem Aderlass glich, nicht einem Pieksen mit dünnen Nadeln). Auch der Akupunkteur darf unwidersprochen von „Meridianen” und dem „tieferen philosophischen Denken in der Kräuterkunde” faseln.

Desweiteren erscheint die Erklärung, warum gerade Akupunktur im Westen so beliebt ist, im Ursprungsland China jedoch eher die Kräutermedizin, allzu simpel. Laut den Autoren hat es die Akupunktur im westlichen Kulturkreis hauptsächlich deshalb so weit gebracht, weil sie einfach zu erlernen und anzuwenden sei. Diese Erklärung lässt jedoch rechtliche Aspekte völlig außer Acht. In westlichen Ländern würde eine Kräutermedizin mit spezifischen Heilungsversprechen schnell unter das Arzneimittelrecht fallen. Ein derartiges Medikament müsste z. B. in Deutschland ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen. Darin müssten Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der Arzneimittelprüfung belegt werden. Desweiteren dürfte es dann ausschließlich in Apotheken verkauft werden. Diesen Aufwand kann und will kein Mediziner selbst stemmen.

Ein medizinisches Verfahren wie die Akupunktur fällt dagegen nicht unter das Arzneimittelrecht. Die Nadeln werden als Medizinprodukt zugelassen, was ein deutlich einfacheres und billigeres Verfahren ist. Die Behandlung an sich unterliegt überhaupt keiner Zulassung oder Prüfung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. In Deutschland darf jeder zugelassene Arzt eine Akupunktur durchführen. Die rechtlichen und finanziellen Hürden sind im Westen für die Akupunktur deutlich niedriger als für Kräutermedizin.

Insgesamt hinterlässt die Sendung mehr Fragen als Antworten. Das vorgebliche Thema wird kaum behandelt. Wesentliche Fragen bleiben ungestellt. Der Informationswert geht gegen Null. Wieder bekommt man den Eindruck, dass die Sendung lustlos einen Timeslot im Programmschema füllt, ohne dem Anspruch des Senders wirklich gerecht zu werden. Ein Wissenstransfer findet jedenfalls nicht statt.