September
2014
Fehlschluss #33: Vorschnelle Verallgemeinerung
Geschrieben von Michael Hohner am 1. September 2014, 07:34:52 Uhr:
Den Fehlschluss der vorschnellen Verallgemeinerung könnte man auch als „Stammtischargument” bezeichnen:
Ich bin von einem Gebrauchtwagenhändler übers Ohr gehauen worden, und mein Schwippschwager auch. Gebrauchtwagenhändler sind doch alle Gauner!
Die allgemeine Form ist:
A und B sind Beispiele von X. A und B haben die Eigenschaft Y. Also haben alle X die Eigenschaft Y.
Dieser ganz offensichtlich falsche Schluss macht doch auf ein größeres Problem in der Philosophie und vor allem in der Wissenschaft aufmerksam: Man kann noch so viele Beispiele und Indizien finden, die eine allgemeine Regel bestätigen, das beweist die Richtigkeit der Regel dennoch nicht. Induktive Schlussfolgerungen, also das Ableiten von allgemeineren Aussagen aus speziellen Beobachtungen, sind streng genommen nicht zulässig. Nur deduktive Schlüsse, also das Ableiten von speziellen Aussagen aus allgemeinen Aussagen, sind logisch einwandfrei möglich. Dieses von David Hume formulierte Induktionsproblem ist im Grunde bis heute ungelöst.
Aber was machen nun Wissenschaftler? Sie beobachten und experimentieren, und sie formulieren aus diesen Beobachtungen allgemeine Regeln, z. B. Naturgesetze. Dies sind aber induktive Schlüsse, wie können die so gefundenen Gesetzmäßigkeiten jemals als wahr bewiesen werden? Nur wenn man die Naturgesetze kennen würde, könnte man konkrete Beobachtungen aus diesen ableiten. Aber die Naturgesetze sind ja gerade das, was Wissenschaftler herausfinden wollen.
Diese Zwickmühle wurde von Karl Popper zumindest abgemildert: Induktive Schlüsse sind zwar nicht letztgültig möglich. Man kann aber aus so formulierten Hypothesen wieder deduktiv auf neue mögliche Beobachtungen und nicht mögliche Beobachtungen schließen. Macht man dann eine solche Beobachtung, die man aufgrund der Hypothese eigentlich nicht machen dürfte, dann ist die Hypothese als falsch bewiesen. Macht man keine Beobachtungen, die der Hypothese widersprechen, dann ist die Hypothese zwar nicht endgültig als richtig bewiesen, aber sie steht zumindest auf festerem Grund.
Um zum Thema zurückzukommen: Was macht eine Verallgemeinerung zu einer vorschnellen, und wann wäre sie akzeptabel? In Poppers Sinn könnte man die Verallgemeinerung als Hypothese auffassen. Wenn man dann schnell und einfach Beispiele findet, die dieser widersprechen, dann ist sie wohl offensichtlich falsch. Wenn das aber nicht gelingt, und wenn man auch sonst den Eindruck hat, dass zumindest eine Überprüfung stattgefunden hat, dann könnte man die Verallgemeinerung – zumindest vorläufig – stehen lassen.