RatioBlog
14.
April
2012

7 Legenden der Homöopathie

Geschrieben von Michael Hohner am 14. April 2012, 12:24:34 Uhr:

Die „Woche der Homöopathie” geht zu Ende, und zum Abschluss nochmal die gängigsten Legenden der Homöopathie:

„Homöopathie ist Naturheilkunde”

Homöopathie wird gerne in einer Reihe mit Kräutermedizin, TCM, Akupunktur usw. genannt und dann als „Naturheilkunde” bezeichnet. Selbst wenn es so wäre, wäre das lediglich ein naturalistischer Fehlschluss. Aber selbst mit viel Wohlwollen kann man Homöopathie kaum als Naturheilkunde bezeichnen. Selbst Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, wollte ausdrücklich seine neue Erfindung nicht mit der Kräutermedizin gleichgesetzt sehen. Heute praktizierende Homöopathen protestieren dagegen eher im Stillen, denn dieses Missverständnis der Allgemeinheit spielt ihnen in die Karten.

Es werden zwar gerne Pflanzen und andere Naturprodukte in der Urtinktur verwendet, aber dies ist keinesfalls zwingend so. Im Grunde kann in der Homöopathie alles als Urtinktur dienen, was irgendein Symptom hervorruft. Also im Grunde alles. Da werden dann ganz gerne mal absonderliche Dinge verrieben, verschüttelt und verdünnt, wie z. B. Hundekot (Excrementum canium), Teile der Berliner Mauer (Murus Berlinensis), Röntgenstrahlen, komplette Schweineembryos (Embryo totalis suis), Plutonium (woher haben die bloß das Ausgangsmaterial?), Elektrosmog, eine totale Sonnenfinsternis, oder auch Nichts. Was in der Urtinktur mal enthalten war, ist aber gar nicht relevant, denn das fertige „Medikament” ist nur eine Verdünnung davon. Spätestens in hohen Verdünnungsstufen über D23 ist praktisch nichts mehr vom Ausgangsstoff übrig.

„Homöopathie funktioniert, weil Wasser ein Gedächtnis hat”

Die Hypothese einiger Verfechter der Homöopathie ist, dass der Kontakt des Wassers mit den Stoffen der Urtinktur eine Übertragung der Eigenschaften dieser Stoffe auf das Wasser bewirkt. Und da angeblich Wasser ein Gedächtnis hat, bleiben diese Eigenschaften auch bei höchsten Verdünnungen erhalten, wenn von der Urtinktur nichts mehr übrig ist.

Nur selten werden solche Behauptungen belegt. Es wurde jedoch tatsächlich gezeigt, dass Wasser in der Struktur seiner Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen Informationen speichern kann. Wasser hat also wirklich ein Gedächtnis. Aber (und es gibt immer ein „aber”), Wasser ist auch äußerst vergesslich. Die gespeicherte Information bleibt nämlich nur ca. 50 Femtosekunden (Billiardstel Sekunden) erhalten. Dann gehen die Wassermoleküle wieder neue (und ebenso flüchtige) Verbindungen zu benachbarten Molekülen ein.

Homöopathen, die von einem Wassergedächtnis reden, können auch nicht erklären, warum die Eigenschaften der Urtinktur auf das Wasser übergehen, jedoch nicht die der Gefäße oder allen anderen Dingen, mit denen das Wasser vorher in Kontakt kam, und sie erklären auch nicht, warum das Gedächtnis nicht mit dem Wasser verschwindet, wenn die Lösung auf Globuli getröpfelt wird und dann verdunstet.

Langer Rede kurzer Sinn: Wasser hat kein Gedächtnis, das für die Homöopathie nutzbar wäre.

„Homöopathie funktioniert wegen der Quantentheorie”

Wenn die Behauptung des Wassergedächtnisses nicht mehr überzeugt, dann wird gerne die Quantentheorie als Grundlage der Homöopathie herangezogen, und davon insbesondere das Phänomen der Quantenverschränkung. Spätestens an dieser Stelle werden die meisten Laien abschalten und die hochtrabende Erklärung akzeptieren.

Quantenverschränkung existiert tatsächlich. Zwei oder mehr Teilchen können in einer Art miteinander verbunden sein, dass sie nur als Gesamtsystem zu sehen sind. Befindet sich eines der verschränkten Teilchen in einem seiner möglichen Zustände (z. B. bezüglich Polarisation oder Spin), dann befindet sich das andere Teilchen zwangsweise nicht im gleichen Zustand. Die Messung des Zustands der Teilchen wird immer verschiedene Ergebnisse für beide Teilchen haben.

Diese Prosabeschreibung von Verschränkung hat gewisse Ähnlichkeit mit den Grundideen der Homöopathie (Gleiches mit Gleichem heilen; Wirkungsumkehr durch Verdünnung). Damit enden aber schon die Gemeinsamkeiten. Zwei Teilchen können miteinander verschränkt sein, wenn sie z. B. im gleichen subatomaren Prozess gemeinsam entstehen. Ein einfaches Verschütteln mit Wasser erzeugt keine Verschränkung. Ebenso ist zwar bei einer Messung der Teilchen immer ein komplementäres Ergebnis zu sehen, aber es ist nicht vorhersehbar oder gar steuerbar, welches der Teilchen welchen Zustand einnimmt. Dies widerspricht der Behauptung der Homöopathie, eine gezielte Wirkung beim Patienten zu haben. Und zum Dritten gelten die Aussagen der Quantentheorie für subatomare Systeme oder bestenfalls kleine Moleküle, jedoch nicht für komplexe, makroskopische Systeme wie einem menschlichen Körper.

Langer Rede kurzer Sinn: Auch die Quantentheorie bietet nichts, was die Homöopathie plausibel machen könnte.

„Homöopathie kann in randomisierten Studien nicht getestet werden”

Wenn die Homöopathie in einer randomisierten Studie wieder einmal durchgefallen ist, dann ist das Argument meistens, dass Homöopathie in randomisierten Studien ohnehin nicht getestet werden kann, weil eigentlich jeder Patient eine individuelle Anamnese beim Homöopathen durchlaufen müsste und ein individuell bestimmtes Mittel bekommen müsste. Dies passe nicht zu den standardisierten Designs von klinischen Studien.

Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich dieses Argument als Ausflüchte. Es wurde nämlich die Wirksamkeit unter Beibehaltung von Randomisierung und individueller Anamnese bereits getestet. 83 Rheumapatienten erhielten 24 Wochen lang – verblindet und randomisiert – (individualisierte) homöopathische Beratung oder eine herkömmliche Beratung, und dann das verschriebene Homöopathikum oder ein Plazebo. Das Ergebnis war auch in diesem Fall negativ für die Homöopathie: Die Probanden in der Verumgruppe erfuhren keine stärkere Verbesserung als die der Plazebogruppe. Entscheidend für die (von den Probanden angegebene) Verbesserung war die Intensität der Beratung, nicht das verabreichte Medikament. Auch dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Wirkung der Homöopathie lediglich auf Plazeboeffekten beruht.

„Die Wirksamkeit der Homöopathie ist wissenschaftlich erwiesen”

Regelmäßig werden Studien zitiert, die die Wirksamkeit der Homöopathie angeblich belegen. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich dann schnell schwere Probleme. Entweder sind die Ergebnisse nicht reproduzierbar, oder die gemessenen Ergebnisse sind nicht statistisch signifikant, oder die Interpretation der Ergebnisse ist „kreativ”, oder die Studien sind methodisch schwach (keine Kontrollgruppe, keine Verblindung, wenige Teilnehmer, ungenügende Randomisierung).

Betrachtet man vor allem methodisch starke Studien (viele Teilnehmer, Plazebokontrolle, doppelte Verblindung, gute Randomisierung), dann findet man regelmäßig das immer gleiche Ergebnis: Homöopathie hat keine Wirkung, die über den Plazeboeffekt hinausgeht.

Auch im Licht des heutigen Grundlagenwissens muss man die Grundlagen der Homöopathie als widerlegt bezeichnen, und so ist wenig überraschend, dass alle methodisch starken Überprüfungen ein Nullergebnis zeigen.

„Die Wirksamkeit der homöopathischen Zubereitungen wird in einer Prüfung getestet”

Homöopathen verweisen gerne auf die homöopathische Prüfung, wenn die Sprache auf Wirksamkeitsnachweise kommt. Dummerweise hat eine homöopathische Prüfung nur wenig mit einer klinischen Prüfung eines echten Medikaments gemeinsam.

Bei einer homöopathischen Prüfung werden den Probanden die Stoffe in der Urtinktur über längere Zeit verabreicht, und es werden alle Symptome notiert, die sich daraufhin einstellen. Nicht nur wird hier nicht gezeigt, dass tatsächlich die Urtinktur die Symptome hervorruft. Es wird auch einfach als gegeben vorausgesetzt, dass eine spätere Verdünnung der Urtinktur genau diese Symptome auch heilen wird. Ob dies tatsächlich so ist, ist nicht Bestandteil der homöopathischen Prüfung. Es wird also genaugenommen nicht das geprüft, was die Patienten am Ende erhalten würden.

Übrigens möchte ich mir gerade nicht die homöopathische Prüfung der Urtinkturen mit Hundekot und Plutonium vorstellen…

Bei einer klinischen Prüfung eines echten Medikaments wird auch tatsächlich genau dieses getestet.

„Homöopathie ist eine ganzheitliche Methode, und die Schulmedizin kuriert nur die Symptome”

„Ganzheitlich” ist ein beliebtes Schwurbelwort der Alternativmedizin, mit dem sie sich von der wissenschaftlichen Medizin abgrenzen will. Bei genauerer Betrachtung erweist sich das aber als reine Sprechblase und als Falschdarstellung der wissenschaftlichen Medizin.

Auch ein Mediziner wird seine Patienten immer als Ganzes sehen. Mediziner stellen ebenso relevante Fragen zu den Begleitumständen, der Vorgeschichte, usw. Sie verschreiben nicht nur Medikamente, sondern Sie geben auch Ratschläge zur Lebensführung, Allgemeingesundheit und Vorbeugung. Einem Patient mit Bluthochdruck, Übergewicht oder leichtem Blutzucker wird auch zur Ernährungsumstellung geraten. Einem Patient mit Rückenschmerzen wird auch zu leichter Bewegung und Sport geraten. Stresspatienten werden auch Entspannungsübungen nahegelegt. Damit werden nicht Symptome behandelt, sondern Ursachen angegangen. Daran ist nichts originär „alternatives”, und wissenschaftliche Medizin ist im besten Sinn ebenso „ganzheitlich”.

Ein Homöopath wird seine Patienten mit Kopfschmerzen bei der der Anamnese eventuell auch fragen, ob die Großmutter öfter Blähungen hatte. Ob solche weitergehenden „ganzheitlichen” Ansätze relevant sind, ist anzuzweifeln.