RatioBlog
26.
Februar
2012

Die vier Probleme mit eBooks

Geschrieben von Michael Hohner am 26. Februar 2012, 12:29:05 Uhr:

Seit einigen Jahren ist die Technik für elektronische Bücher (eBooks) im Grunde ausgereift. Wer ein Buch nicht auf Papier lesen will, kann das stattdessen auf dem PC oder Notebook tun, auf Tablets und notfalls Smartphones, oder in der Luxusversion mit speziellen Lesegeräten mit stromsparendem, papierähnlichem Display. Mit den Geräten kann man die Bücher nicht nur lesen, sondern über integrierte Shopsysteme oder einen Webbrowser auch kaufen. Es gibt zwar nicht das eine, standardisierte eBook-Dateiformat, aber die Anzahl der Formate hält sich doch in starken Grenzen. Die Zahl der Anbieter von Geräten oder reiner Software ist groß genug. Sogar der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat seinen eigenen eBook-Reader vorgestellt.

Dennoch betrug der Anteil der eBooks am deutschen Buchmarkt in der ersten Hälfte von 2011 unter 1%. Die Tendenz ist zwar steigend, aber auf sehr niedrigem Niveau. Meiner Meinung nach sind es auch nicht ein Mangel an Geräten oder ein Defizit bei der Integration der Shops in den Geräten, die einer weiteren Verbreitung von eBooks im Wege stehen. Der Börsenverein hätte also seine Ressourcen besser in die Lösung der wirklichen Probleme stecken sollen, die da sind:

zu wenige

Trotz aller Fortschritte gibt es noch viel zu wenige Bücher als eBook. Selbst nicht brandaktuelle Titel gibt es meistens nur in verschiedenen gedruckten Formaten. Ausgerechnet auch bei Sachbüchern, die von einer eBook-Version besonders profitieren könnten, ist ein besonderer Mangel festzustellen. Wer gerne Bücher im (z. B. englischsprachigen) Original liest, kann diese auch in Deutschland problemlos erwerben, jedoch oft nicht als eBook. Die Zahlen steigen zwar schnell, sind aber im Vergleich zur Gesamtzahl aller Bücher immer noch verschwindend gering.

zu spät

Wenn es noch verständlich ist, dass Verlage von älteren Büchern keine eBooks anbieten (schließlich ist das Verkaufsmaximum lange überschritten, so dass sich der Zusatzaufwand kaum noch lohnt), so ist es heutzutage kaum zu erklären, warum Neuerscheinungen erst viel später als eBook veröffentlicht werden. Schließlich sind eBooks ja keine wirklich neue Idee, und die Herstellung des eBooks sollte sich leicht im Veröffentlichungsprozess einplanen lassen. Wenn aber heute ein neues Buch erscheint, das potentielle eBook-Käufer interessiert, dann müssen diese entweder mehrere Monate warten, oder sie greifen notgedrungen eben doch zur Papierversion.

zu teuer

Es ist dem Konsumenten eigentlich kaum zu erklären, warum ein eBook oft nicht oder nicht wesentlich billiger angeboten wird als die Taschenbuchversion. Es kann uns doch niemand ernsthaft einreden wollen, dass das Material, der Druck und die Bindung, die Lagerkosten, der Transport zum Händler, die Lagerkosten des Händlers, die Personalkosten des Händlers und die Gewinnspanne des Händlers nur einen oder zwei Euro am Buchpreis ausmachen. Würde ein Verlag ein eBook direkt an die Leser online verkaufen, dann müssten die Preise deutlich niedriger liegen als heute. Selbst mit Zwischenhändler sollte ein eBook nie mehr als die Hälfte des Taschenbuchpreises kosten. Bei dieser Preisgestaltung greifen die Käufer öfter lieber zum gedruckten Buch, insbesondere unter Berücksichtigung des nächsten Punktes.

zu viel Gängelei

Die meisten verkauften eBooks sind heute mit Mechanismen des Digital Rights Management (DRM) ausgestattet. Damit soll auf technische Weise sichergestellt werden, dass nur die legalen Käufer eines eBooks dieses auch lesen können.

Das klingt im ersten Moment nicht unbedingt verwerflich, denn ein eBook könnte im Prinzip verlustfrei kopiert werden, und damit könnten die legalen Verkäufe eines eBooks empfindlich reduziert werden.

In der Praxis artet DRM aber oft zu einer Kundengängelei aus, während es seinen eigentlichen Zweck, den Schutz vor illegalen Kopien, oft nicht erfüllt. Schon die Musikindustrie ist in diese Falle gelaufen. Vor einigen Jahren versuchte sie, mit verschiedenen Mechanismen das Kopieren von Musik-CDs zu verhindern, mit dem gleichen Ziel wie heute die Verlage. Das führte aber letztlich nur zu der absurden Situation, dass legale Käufer solche CDs auf manchen Geräten (z. B. im Auto) nicht abspielen konnten, während gängige CD-Brennprogramme diese CDs ohne Probleme kopieren konnten, ganz so als ob der Kopierschutz nicht vorhanden sei. So wurden die verärgerten Kunden praktisch gezwungen, eine eigentlich unnötige Kopie der CD anzufertigen, damit sie sie auf legitime Weise überhaupt nutzen konnten.

Ähnlich verhält es sich mit DRM bei eBooks: Während es keine besonders hohe Hürde gegen Kopien darstellt, werden legale Kunden in der Nutzung ihrer eBooks eingeschränkt. Ein eBook mit DRM kann nur auf Geräten gelesen werden, die DRM unterstützen. Einige kostenlose Software tut dies nicht. Ein eBook mit DRM kann ich nicht meinen Verwandten und Freunden ausleihen wie ein gedrucktes Buch. Ich kann es nicht weiterverkaufen. Wenn ich es nur in einem Format bekommen kann, das mein Lesegerät nicht unterstützt, dann kann ich es nicht per Software in ein unterstütztes Format konvertieren. Ich kann das Buch nicht oder nur schwierig auf verschiedenen Geräten gleichzeitig nutzen. Und am Ende treibt es Anbieter zu Auswüchsen wie die von Amazon im Jahr 2009, wo legal gekaufte Bücher von den Lesegeräten der Kunden gelöscht wurden, nachdem Amazon auf ihrer Seite ein rechtliches Problem festgestellt hatten. Bei gedruckten Büchern würde nie ein Händler seine Kunden abklappern können, um ein vorher versehentlich verkauftes Buch wieder einzusammeln. Auch ohne rechtliche Schwierigkeiten kann es passieren, dass nach Kündigung eines Zeitungsabonnements die vorher legal gekauften Ausgaben gelöscht werden, was mit gedruckten Zeitungen ebenfalls nie vorkommen würde.

Gängeleien wie diese treiben potentielle Käufer zu den gedruckten Versionen oder in die Illegalität. Wenn ich ein eBook nicht deutlich billiger bekomme und dann in der legalen Nutzung auch noch stark eingeschränkt werde, dann überlege ich mir zweimal, ob das den Ärger wert ist.

Fazit

Der kleine Marktanteil von eBooks ist von den Verlagen hausgemacht. Was gar nicht, zu spät, zu teuer und mit zu vielen Restriktionen angeboten wird, das wird eben auch wenig gekauft. Das sollte eigentlich keine Überraschung sein.

Der Buchhandel könnte und sollte hier von der Musikindustrie lernen: Dort wird neue Musik praktisch immer gleichzeitig auch als MP3 angeboten, zu einem günstigeren Preis, und mittlerweile ohne DRM. Dort muss der Buchhandel auch hinkommen, dann klappt's auch mit den eBooks.