RatioBlog
10.
April
2012

Oscillococcinum - absurd im Quadrat

Geschrieben von Michael Hohner am 10. April 2012, 07:36:16 Uhr:

Quack, quack!

Vom 10. bis 16. April 2012 findet wieder einmal die „Woche der Homöopathie” statt, ausgerufen um das Bewusstsein für die Homöopathie zu steigern und aufzuklären. Bei diesem hehren Ansinnen wollen wir nicht hintanstehen und etwas zur homöopathischen Zubereitung namens „Oscillococcinum” erzählen:

Diese Zubereitung wurde am Anfang des letzten Jahrhunderts von Militärarzt Joseph Roy entwickelt, oder wie man normalerweise sagen würde, erfunden. Ihm fiel bei der Untersuchung von Erkrankten der Spanischen Grippe auf, dass man in Gewebe- und Flüssigkeitsproben unter dem Mikroskop kleine, zitternde Kügelchen erkennen konnte. Diese zitternden Kügelchen fielen ihm dann bei vielerlei anderen Krankheiten und in anderen Proben auf. Messerscharf schloss er darauf, dass das wohl die Auslöser der Erkrankungen waren. Dieser Schluss war nicht ganz so abwegig, wusste man doch zu dieser Zeit schon länger, dass die ebenfalls nur unter dem Mikroskop zu entdeckenden Bakterien die verschiedensten Krankheiten verursachen konnten. Statt jedoch wie Robert Koch und seine Kollegen die Krankheit durch Beseitigung des Auslösers zu heilen, begab er sich auf den Holzweg der Homöopathie. Er nahm also die krankheitsauslösenden Substanzen, die er angeblich besonders reichhaltig in einer Tinktur aus Entenleber und Herz fand, verdünnte diese im Verhältnis C200, erklärte das Ergebnis zu einem Heilmittel gegen die Grippe, und nannte es „Oscillococcinum”, also „zitternde Kügelchen”.

Derweilen ist aber nicht ganz klar, was Roy unter seinem Mikroskop wirklich sah. Die Auslöser der Grippe, also Influenzaviren, waren es sicher nicht. Auch sind keine Bakterien bekannt, die Grippe verursachen und auch in Entenleber besonders häufig zu finden wären. Wahrscheinlich waren Roys zitternde Kügelchen einfach nur kleine Luftblasen, zum Zittern gebracht durch die Brownsche Bewegung. Was heute jedoch klar ist, ist dass Oscillococcinum keine Heilwirkung gegen Grippe besitzt. Letzteres überrascht wenig, ist doch für keine einzige homöopathische Hochverdünnung eine Wirkung jenseits des Plazeboeffekts gesichert feststellbar.

Um es also nochmal zusammenzufassen: Eine Substanz, die in der Urtinktur überhaupt nicht vorhanden ist, wird nochmal im Verhältnis 1:1020001:10400 verdünnt (zur Erinnerung: im gesamten Universum gibt es geschätzt 1080 Atome), so dass sie allerspätestens danach nicht mehr vorhanden ist, um damit eine Krankheit zu heilen, die auch von der Urtinktur gar nicht hervorgerufen würde, im Widerspruch zur homöopathischen Grundidee, die wiederum selbst völlig aus der Luft gegriffen ist.

Wenn diese Absurditäten noch nicht reichen, kann man noch eines obendrauf setzen: Jährlich verkauft Big Homöo alleine in den USA Oscillococcinum im Wert von 15 Millionen Dollar.

Eine schöne „Woche der Homöopathie” noch!