Geschrieben von
Michael Hohner
am 20. Juli 2010, 07:20:14 Uhr:
In der Welt gab es ja etliche vorwissenschaftliche Konzepte, die man schon lange als tot bezeichenen könnte. Beispiel Alchemie, also die Idee, man könne unedle Metalle durch allerlei Verfahren (die wir heute als „chemisch” bezeichnen würden) in edle Metalle wie Gold verwandeln. Tausende haben sich daran erfolglos probiert. Irgendwann hat auch der Letzte eingesehen, dass das nicht funktioniert. Als dann die moderne Wissenschaft geboren war, kam man nach und nach auch darauf, wie Materie aufgebaut ist, was der grundsätzliche Unterschied von z. B. Blei und Gold ist, und was chemische Reaktionen können und nicht können. Man weiß also schon lange nicht nur, dass Alchemie nicht funktioniert, sondern auch warum sie nicht funktioniert. Spätestens mit diesen tieferen Erkenntnissen ist die Alchemie zu einem Kapitel der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte geworden und wird von niemandem mehr ernsthaft vertreten.
Warum ist das nicht genauso bei pseudomedizinischen Konzepten wie Akupunktur, Homöopathie oder Auramedizin der Fall? Warum erfreuen sich diese immer noch so großer Beliebtheit?
Geschrieben von
Michael Hohner
am 12. Juli 2010, 22:54:29 Uhr:
Der Spiegel Nr. 28, 2010
Passend zur aktuellen Diskussion über die Kostenübernahme mancher Krankenkassen für manche homöopathischen Leistungen erschien in der heutigen Ausgabe des Spiegel die Titelstory „Homöopathie – Die große Illusion”, im Heft auch genial betitelt mit „Der große Schüttelfrust”. Der Titel lässt hoffen, auch wenn beim Lesen von so mancher früherer Berichterstattung zu wissenschaftlichen Themen im Spiegel die Mundwinkel eher der Gravitation gefolgt sind.
Diesmal haben die Autoren Markus Grill und Veronika Hackenbroch ins Schwarze getroffen. Nach einem kurzen Schlaglicht auf die aktuelle Diskussion in England werden korrekt die Grundideen der Homöopathie erläutert (die offensichtlich auch einigen prominenten Anhängern nicht geläufig sind). Eine typische Sitzung beim Homöopathen wird geschildert. Dann kommt man zum Kern des Themas, den wissenschaftlichen Nachweisen. Die Geschichte der Metaanalysen zum Thema wird korrekt erzählt. Dem geneigten Leser wird auch nochmal der grundsätzliche Aufbau von randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien erläutert, und warum anekdotische Nachweise tendenziell zu positiv ausfallen.
Fehlen dürfen natürlich nicht die absurden Verdünnungen der Homöopathie, sowie Beispiele für die skurrilen Ausgangsstoffe der Tinkturen. Auch die dunkle Vergangenheit der Homöopathie muss in einem Spiegel-Artikel selbstverständlich beschrieben werden.
Dieser Artikel sollte Pflichtlektüre für alle Krankenversicherten sein, und insbesondere auch für die politischen Entscheider. Letztere haben's wohl am nötigsten.
Geschrieben von
Michael Hohner
am 12. Juli 2010, 19:52:43 Uhr:
Die Luft wird langsam dünner für die Homöopathie in Deutschland. Nach England hat man auch hierzulande erkannt, dass Homöopathie reine Placebomedizin ist, und dass es den Gesundheitsversicherten kaum zuzumuten ist, dafür weiter Geld zu verschwenden. Angesichts drohender oder beschlossener Beitragserhöhungen und beschlossenen Zusatzbeiträgen wird immer intensiver nach Einsparmöglichkeiten gesucht. Die Begrenzung der Ausgaben für Medikamente wurde nur halbherzig angegangen und ist wieder mal im Sande verlaufen. Diese Koalition hat kein Durchsetzungsvermögen gegenüber der Lobby der Anbieter. Eine andere Möglichkeit ist, unwirksame oder unwirtschaftliche Mittel und Verfahren aus dem Leistungskatalog zu streichen. Dazu wurde extra das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gegründet. Dieses untersucht Verfahren und Medikamente genauer auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, und dann kann eine Empfehlung ausgesprochen werden, dieses Verfahren oder Medikament aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen zu streichen.
Jürgen Windeler, künftiger Leiter des IQWiG, wird da deutlich: